Karussell

Karussell
Photo by Danil Зakhvatkin / Unsplash

Ich hasse dich. Am liebsten würde ich dir das sagen. Ich hasse, wie du deine schlechte Laune an den Kindern auslässt, wie du dich nicht zu deinem Sohn drehst, wenn seine kleine Hand deinen Arm und deine Nähe sucht. Ich hasse, wie du nicht konsequent bist und zu viel durchgehen lässt, wie du herabwürdigend "ich hab's dir doch gesagt" zu deinem weinenden Kind sagst, wenn es sich verletzt hat. Ich hasse deine Müdigkeit, deine Überforderung, dass du dich von mir distanzierst. Ich hasse es, dass etwas ist, was angeblich nicht ist und dabei aber nicht zu übersehen ist. Übersehen soll ich die Tatsache, dass etwas ist und dabei bitte nicht so empfindlich sein.

Es zermürbt mich. In meinem Kopf drehen sich die Gedanken schneller und schneller und wippen dabei noch wie ein Schaukelpferd auf einem alten, klapprigen Karussell. Alles ist durcheinander, aus der Spur geraten und dreht sich doch nur um die eine Frage: Was ist los, dass du mich nicht mehr liebst? Du hast entweder Gefühle für eine andere oder grässliche Dinge an mir gefunden, weshalb du mich nicht mehr magst. Weshalb du mich blöd findest.

Plötzlich bin ich 6 Jahre alt und versuche verzweifelt herauszufinden, was ich getan haben könnte, dass meine Mama mich hasst. Warum macht sie meine Spielsachen kaputt, schreit mich an und sperrt mich ein. Ich war doch immer lieb zu ihr. Ich brauche sie doch. Ich brauche die Sicherheit, Geborgenheit einer liebenden Mutter. Aber suche und versuche vergebens.

Du bist nicht sie. Aber ich bin immer noch ich. Und deshalb hasse ich dich. Weil ich sie hasse. Ich hasse sie dafür, dass sie das kleine Mädchen allein gelassen hat mit all ihrer Unsicherheit und Traurigkeit.

Ich hasse dich. Weil ich dich liebe.